750 Milliarden Euro Corona-Hilfen der EU: Ein Marshallplan für Europa - und die Folgen für die Börse


Das gigantische Ausgabenprogramm der EU infolge der Corona-Krise lässt sich mit dem Marshallplan vergleichen. Doch der funktioniert nur unter bestimmten Bedingungen.

In diesen Tagen feilt die EU an den Einzelheiten des großen 750 Milliarden Euro Ausgabenprogramms, um die Coronafolgen möglichst schnell zu überwinden. Dies ist immerhin ungefähr das Doppelte des deutschen Bundeshaushaltes Bei derartigen Größenordnungen wird es manchem Steuerzahler mulmig zumute. Denn die Rückzahlung des Geldes wird den heutigen Schulkindern für die Jahre ihres Erwerbslebens auferlegt, ob denen das gefällt oder nicht.

Hier muss natürlich dafür gesorgt werden, dass die Steuerzahler von morgen auch deutlich höhere Löhne und Gehälter durch höheres Wirtschaftswachstum verdienen können, um die zusätzlichen Steuern zu bezahlen. Es ist daher zu hoffen, dass die EU streng darauf achten wird, dass das viele Geld nur in produktive und möglichst innovative Investitionen fließt, und nicht in die allgemeinen Staatshaushalte, wo es dann zur Finanzierung des Vorruhestandes oder sinnlosen Staatsbeteiligungen verwandt wird. Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl.

Wer zahlt die Kredite zurück?

Es gibt aber eine interessante historische Parallele, bei der eine sehr hohe Kreditaufnahme in durchaus überschaubarer Zeit zurückgezahlt werden konnte, da die Volkswirtschaften kräftig wuchsen und die Aktienkurse über sehr lange Zeit stiegen. Dies ist die Geschichte des Marshallplans der Nachkriegszeit. Der amerikanische Außenminister George C. Marshall hatte den Plan entwickelt, um der notleidenden Bevölkerung Europas zu helfen, den Wiederaufbau von Wohnungen, besonders in Deutschland, zu fördern und Investitionen anzustoßen.

Dabei erhielten die Länder der heutigen EU, also ohne England und die nach 1989 dazu gekommenen Länder Osteuropas, zwischen 1948 und 1952 insgesamt 9,5 Milliarden Dollar. Schon vor dem Beginn des Marshallplans hatten die USA ungefähr 9 Milliarden Dollar in den Wiederaufbau Europas investiert, so dass die Gesamtsumme etwa bei 18,5 Milliarden Dollar lag, nach heutiger Kaufkraft ungefähr 150 Milliarden Euro, also etwa 20 % des jetzt geplanten großen EU-Programms.

Eigentlich konnten sich die USA diese Großzügigkeit gar nicht leisten, denn das Land hatte durch die Kosten der Befreiung der Welt vom Faschismus und vom japanischen Imperialismus bei Kriegsende einen Schuldenberg von 240 Milliarden Dollar aufgetürmt, nach heutiger Kaufkraft ungefähr 2,9 Billionen. Dies waren ungefähr 113 % der Wirtschaftsleistung zu Kriegsende. Die Mittel aus dem Marshallplan kamen hier noch obendrauf.

Durch das kräftige Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit, wozu natürlich auch erhebliche Exporte in das wieder aufgebaute Europa zählten, sank die Schuldenquote bis auf 25 % im Jahr 1974. Dies gelang durch das starke Wirtschaftswachstum, obwohl in dieser Zeit 205 Milliarden Dollar neue Schulden aufgenommen wurden. Das jährliche Wirtschaftswachstum von 3,8 % zwischen 1946 und 1973 führte zu dieser kräftigen Abnahme der Schulden in Prozent des Bruttosozialproduktes. In dieser Zeit stiegen die durchschnittlichen Haushaltseinkommen 74 %, oder 2,1 % im Jahr.

Wenn es den EU-Ländern gelingt, ein derartiges Wirtschaftswachstum und eine derartige Einkommenserhöhung auf die Beine zu stellen, wird dies eine große historische Leistung sein. Dann brauchen sich auch die heutigen Schulkinder keine Sorgen zu machen, wie sie die hohen Steuern bezahlen sollen.

Für Aktionäre wäre dies eine gute Nachricht: Von 1945 bis 1974 lag der durchschnittliche jährliche Ertrag amerikanischer Aktien bei 10,0 %, davon waren 5,4 % Kursgewinne und 4,6 % Dividenden. Diese Zeit war also auch gut für Aktionäre. Wenn es der EU gelingt, nachhaltiges Wachstum anzufachen, könnte sich hier die Geschichte wiederholen. Falls der EU dies nicht gelingt, ist mit lang anhaltender Stagnation wie in Japan seit 1989 zu rechnen.

 

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