Was (nicht nur) junge Leute an Finanzwissen brauchen


Eltern und Lehrer vermitteln oft zu wenig Finanzbildung. Doch welche Inhalte wären wichtig? Wir stellen drei Projekte vor. Auch spielerisch lässt sich der Umgang mit Risiken schulen.

Start-ups, Unternehmertum, Aktien - Umfragen zumindest zeigen regelmäßig, dass "die Jugend" über wenig Finanzwissen verfügt. Wer genauer fragt, stellt allerdings fest, dass auch die Elterngeneration erhebliche Wissenslücken in Finanzfragen aufweist. Offensichtlieh lässt sich fehlendes Wissen nur schwer aufholen. Frühere Generationen konnten sich ihr Nichtwissen allerdings eher leisten als die heute Heranwachsenden. Denn die Umstände heute sind herausfordernder: Die Zinsen sind niedrig. Das in früheren Generationen beliebte Sparkonzept, Geld auf Festgeldkonten bei der  Bank oder Sparkasse zu ordentlichen Zinsen anzulegen, funktioniert nicht mehr. Gleichzeitig ist der Staat in seiner Handlungsfähigkeit durch die erst in der Finanzkrise und dann in der Corona-Krise aufgenommenen Schulden stark eingeschränkt. Die staatliche Rente wird kleiner, auch weil immer mehr Rentner den in die Rentenkasse einzahlenden Erwerbstätigen gegenüberstehen. Dies alles macht es fast unabdingbar für die heranwachsende Generation, ihr Schicksal stärker In die eigene Hand zu nehmen. Die Hamburger Berenberg Bank und der Stuttgarter Vermögensverwalter Georg Thilenius trainieren die Kinder "guter" Kunden dafür.

Auch Georg Thilenius ist ein Anhänger der eigenen Aktienanalyse, die zu langfristigen Aktienanlagen für seine Kunden führen soll. Der Stuttgarter Vermögensverwalter hält einmal im Jahr für maximal 20 junge Leute - Kinder von Kunden, von 15 Jahren an - und darüber hinaus "auf Zuruf" Seminare und Trainings, in denen er sein Vorgehen vermittelt. Ihm geht es um die großen Aktienzyklen mit ihren Aufs und Abs seit dem Jahr 1900: über die erste Globalisierungswelle nach dem Zweiten Weltkrieg, in der sich durch  frühzeitiges Identifizieren von Profiteuren wie Coca-Cola oder Gillette viel Geld verdienen ließ, bis zur nun rollenden zweiten Globalisierungswelle, angestoßen durch die Digitalisierung. "Ganz aktuell geht es darum, welche Aktien von Entwicklern und Produzenten der Corona-Impfstoffe als langfristige Anlage aussichtsreich sind", schildert Thilenius, was ihn umtreibt.

In den Vorträgen des Vermögensverwalters steckt viel Wirtschaftsgeschichte, aber eben auch der Anspruch, für die nächste Kundengeneration das Vermögen zu mehren. "Wir zeigen die Zukunftsaussichten von Branchen und Unternehmen, deren Aktien wir neu kaufen, wir geben Unternehmensprognosen zu Umsatz und Erträgen für die kommenden fünf Jahre, wir sprechen über die für uns wichtigen Aktienmarkttreiber der nächsten Jahre - etwa Demographie und digitaler Konsum", zählt Thilenius auf. Stets versucht er für die jungen Leute einen Alltagsbezug herzustellen. Jeder habe schließlich schon bei Amazon gekauft und verstehe leicht, warum er die Amazon-Aktie als einen "Investmentfonds für die Digitalisierungsbranche" und damit als Basisinvestment bezeichnet. Die Alphabet-Aktie dagegen hält Thilenius für kein zwingendes Investment, denn gegen die Macht des Unternehmens mit der bekannten Internetsuchmaschine Google würden Regierungen bestimmt früher oder später vorgehen.

 

© Text Hanno Mußler, FAZ 2021

 



 

 

 


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